Das Elend der identitären Politik
Warum der Kampf um Gleichheit und Anerkennung mit Identitätspolitik nicht vereinbar ist.
von Andreas Wehr
„Die Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich an Rechten.“ So lautet der erste Satz der von der französischen Nationalversammlung am 17. August 1789 angenommenen „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“. Seitdem versteht man unter der Emanzipation des Menschen vor allem Gleichheit und die allgemeine Geltung der Rechte für alle. Über die weltgeschichtliche Bedeutung dieser Deklaration schrieb der italienische Historiker und Philosoph Domenico Losurdo: „Die Forderung nach politischen Rechten und allgemeinem Wahlrecht – nach jener Allgemeinheit also, die sich als ein widersprüchlicher und von alternierenden Phasen der Emanzipation und De-Emanzipation gekennzeichneter Prozess darstellt, der die Barrieren des Zensus, der Rasse und des Geschlechts hinwegfegt (…), all diese Kämpfe sind im Namen der unveräußerlichen Rechte geführt worden, deren Träger der Mensch in seiner Allgemeinheit ist.“ [1]
Menschenrechte – aber nicht für alle
Die Bürger- und Menschenrechte hinderten aber den Vollstrecker des Erbes der Französischen Revolution, Kaiser Napoleon Bonaparte, nicht daran, die eben erst verkündete egalité mit Füßen zu treten, indem sie gegenüber fremden Völkern als nicht existent angesehen wurde. Das napoleonische Heer zertrümmerte in Europa nicht nur die feudalen Herrschaftsverhältnisse, es setzte zugleich die seit den Zeiten Ludwig XIV. betriebene Expansionspolitik Frankreichs fort. Ohne Rücksicht auf den Willen der Völker wurden ganze Provinzen annektiert und französische Statthalter eingesetzt. Noch verheerender war das Schicksal der Farbigen in den Kolonien: Die unter dem schwarzen Revolutionär Toussaint L´Ouverture in St. Domingue (dem heutigen Haiti) erreichte Befreiung der Sklaven wird unter Napoleon wieder rückgängig gemacht. Der von ehemaligen Sklaven errichtete Staat wird von französischen Truppen besetzt und die Aufständischen – unter dem Beifall der Sklavenhalter in den USA – grausam verfolgt. In Frankreich bleibt das gerade erst verkündete Wahlrecht für Männer auf die „Aktivbürger“ begrenzt, also auf jene, die eine bestimmte Summe von Steuern auf ihr Eigentum zahlen. Drei Millionen Franzosen, die über kein bzw. nur wenig Eigentum verfügen, bleiben ausgeschlossen. [2]
Nach Ende der napoleonischen Herrschaft über Europa kehren überall die alten feudalen Herrscherhäuser an die Macht zurück. Mit der Abschüttelung der Fremdherrschaft werden zugleich die Prinzipien der Französischen Revolution verworfen. Im Oktober 1817 verbrennen auf dem Wartburgfest deutsche Burschenschaftler Bücher, die sie für unvereinbar mit dem „deutschen Geist“ halten, darunter auch den Code Napoléon, die Grundlage des modernen bürgerlichen Rechts. Zu denen, die das verurteilten, gehörte auch Hegel. [3] In Karlsbad beschließen im August 1819 die im Deutschen Bund zusammengeschlossenen Staaten unter Führung Österreichs und Preußens, gemeinsam gegen jegliche freiheitlichen und liberalen Forderungen vorzugehen. Es ist die Zeit der Demagogenverfolgung.
Noch düsterer fällt die Bilanz für die Völker des globalen Südens aus. Der Kolonialismus wird nicht etwa im Namen der Menschenrechte in Frage gestellt, sondern dehnt sich im Laufe des 19. Jahrhunderts über den ganzen Erdball aus. Frankreich besetzt 1830 Algier und wird es erst 1962 wieder verlassen. Das Vereinigte Königreich erobert ganze Erdteile und gleicht dem Habsburgerreich unter Karl V. der sich rühmte, dass in seinem Reich die Sonne nie untergehe. Mit Belgien, dem Deutschen Reich, Italien und nach dem spanisch-amerikanischen Krieg 1898 den USA treten neue Kolonialmächte hinzu. Auf der Berliner Konferenz 1884/85 verständigen sich die Staaten Europas über die Aufteilung Afrikas. Selbst das einst mächtige China wird im Zeitalter des Imperialismus Opfer westlicher Begierde. Zur Niederschlagung des sogenannten Boxeraufstands verbünden sich im Jahr 1900 nicht weniger als acht Großmächte.
Am Beginn des 20. Jahrhunderts, mehr als 100 Jahre nach der von der Französischen Revolution ausgelösten Welle der Emanzipation die ganz Europa erfasst hatte, steht fest: Weder den sozial Deklassierten, noch den Frauen und schon gar nicht den Farbigen in den Kolonien war es gelungen, von dem „herrlichen Sonnenaufgang“ [4] zu profitieren, mit dem Hegel die Französische Revolution verglichen hatte. Auf die Jahre der Emanzipation am Ende des 18. Jahrhunderts war ein Zeitalter der De-Emanzipation gefolgt.
Zwar gelang es in den USA im Sezessionskrieg 1861-65 die Macht der Südstaaten zu brechen und die Sklaverei gesetzlich aufzuheben. Doch am Ende des 19. Jahrhunderts kehrte die nun zivilgesellschaftlich gestützte Diskriminierung der Schwarzen mit einer Brutalität zurück, die selbst die schlimmsten Zustände der offenen Sklaverei übertraf. Auch wird in der Revolution von 1848 in vielen Ländern Europas die Feudalordnung erschüttert, es gelingt aber nicht, sie in Deutschland und Österreich zum Einsturz zu bringen.
Repressiver Egalitarismus und Individualismus als herrschende Prinzipien
Profiteure der De-Emanzipation sind weiße Besitzende, in der Regel Männer - der Kern des neuen Bürgertums. Sie dominieren die westlichen Gesellschaften und prägen deren Kulturen. In den USA herrscht das Prinzip der „white supremacy“. Von Frauen, Besitzlosen und Nichtweißen wird verlangt, sich den Kulturen, Sitten und Sprachgewohnheiten der Herrschenden anzupassen. Dem dienen die „Politik der Homologisierung und die Parolen repressiven Egalitarismus und Individualismus“. [5] Was das konkret hieß, zeigt Losurdo am Schicksal der nordamerikanischen Indianer, die Opfer einer Umerziehung wurden. Er zitiert Philanthropen, „welche mit den besten Absichten darum bemüht sind, die Indianer durch Zivilisierung und Assimilation vor ihrem Verfall zu retten: Man muss entschlossen harte Strafen anwenden, um die Indianer zu zwingen, auch untereinander nur Englisch zu sprechen, auf ihre Tänze und fremdartige Kleidung zu verzichten, die Haare kurz zu tragen, d.h. sich wie gute Amerikaner und gute Weiße zu verhalten.“ [6] Dieser Konformitätsdruck lastete nicht nur auf den Ureinwohnern Nordamerikas: Überall trat man so auch Schwarzen, Juden, Angehörigen nationaler Minderheiten und anderen Unangepassten gegenüber.
Voraussetzung der Integration dieser Minderheiten war nicht allein die mehr oder weniger freiwillige Übernahme von Kultur und Werten der dominierenden Gesellschaften, sondern auch die Bereitschaft sich ganz als Individuum zu fühlen. Die Betroffenen sollen sich weder einem eigenen politischen Organismus angehörig fühlen, noch länger einen eigenen Stand bilden. Am besten ist es, wenn sie ihre eigene Geschichte und ihr Herkommen vergessen: „Die égalité wird hier Synonym für Homologisierung. Die Gleichheit fungiert hier gleichsam als Instrument einer 'Gleichschaltung'“. [7]
Nicht selten führt dies zum Selbsthass der Betroffenen. Wie weit das Gefühl der Geringschätzung der eigenen Kultur unter ihnen noch heute ist, zeigte eine kürzlich in Großbritannien durchgeführte Befragung von Studenten aus dem globalen Süden nach ihren Sprachkenntnissen. Sie sollten angeben, welche Sprachen sie, abgesehen vom Englischen, noch beherrschen. Genannt wurden Französisch, Spanisch, Portugiesisch und andere westliche Sprachen, aber fast nie die Muttersprache, obwohl auch sie oft über eine lange Tradition verfügt und nicht selten von hunderten von Millionen Menschen gesprochen wird. Doch die Sprachen der Subalternen besitzen im westlichen Denken so wenig Bedeutung wie deren Kulturen.
Forderung nach Differenz als Antwort auf die Gleichschaltung
Es kann daher nicht verwundern, wenn in Reaktion auf diese Ausgrenzung die Emanzipations- und Befreiungsbewegungen der Unterdrückten auf den Standpunkt einer grundlegenden Differenz gegenüber den herrschenden westlichen Werten und Kulturen bestehen. Dieses Selbstbewusstsein zeigte sich in dem Prozess der Radikalisierung der Emanzipationsbewegungen, der Ende des 19. Jahrhunderts einsetzte, das 20. Jahrhundert prägte und sich in der heutigen Identitätspolitik weiter radikalisiert. So half die Ideologie des Zionismus – derzufolge die Juden über die Jahrhunderte ein einheitliches Volk geblieben seien - den europäischen und nordamerikanischen Juden, sich dem Assimilierungsdruck und der drohenden Auflösung ihrer kulturellen Identität in den christlich geprägten Gesellschaften zu entziehen. Unter den schwarzen US-Amerikanern und in den afrikanischen Kolonien entwickelte sich die négritude – die die Herausstellung der Besonderheit des Schwarzseins als positiven Wert reklamiert. Repräsentanten waren so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Malcolm X, der Führer der Black Panther in den USA, und Léopold Sédar Senghor, der afrikanische Poet und Literat sowie erster Staatspräsident des Senegal.
Kaum eine Emanzipationsbewegung kam mehr ohne die positive Herausstellung der Differenz aus. Das gilt vor allem für die Frauenbewegung, in der sich der Feminismus als eine radikale Strömung herausbildete, deren Vertreterinnen es nicht allein mehr bei der Forderung nach Gleichstellung beließen, sondern das Vorhandensein unüberbrückbarer sowohl sozial bedingter als auch natürlicher Unterschiede zwischen den Geschlechtern reklamierten. Daraus leiten sie regelmäßig das Recht einer weitgehenden Auftrennung der Lebenswelten von Frauen und Männern ab.
Die stolze Betonung des eigenen Geschlechts, der eigenen kulturellen Identität, der Hautfarbe und der sexuellen Orientierung wurde überall Ausdruck neuen Selbstbewusstseins. „Black is beautiful“ hieß es in den US-Ghettos der Afroamerikaner. Frauen verwiesen auf die Werte Sensibilität und soziale Kompetenz als typisch weibliche. Repräsentanten der Völker des globalen Südens legten Anzug und Krawatte ab und kleideten sich entsprechend ihrer nationalen Tradition. So ließ es sich etwa Mahatma Gandhi nicht nehmen, bei einer Reise durch das kalte Großbritannien nur einen dünnen indischen Khadi zu tragen. Die Sprachen der unabhängig gewordenen ehemaligen Kolonien erfuhren eine Aufwertung. Und im globalen Süden kehrte man zu den alten, traditionellen Namen für Städte und Staaten zurück. Mehr und mehr wurde die Praxis aufgegeben, den Kindern westliche Vornamen zu geben. Es war eine Kulturrevolution, die sich in den Jahrzehnten nach Ende des zweiten Weltkriegs sowohl unter den Farbigen in den westlichen Zentren als auch im globalen Süden ereignete, und die auch viele weiße Frauen in Europa und Nordamerika erfasste.
Die Behauptung der Überlegenheit der sich Emanzipierenden
Die radikalsten Vertreter der Emanzipationsbewegungen ließen es aber nicht beim Verlangen nach Differenz bewenden. In Umkehrung des traditionellen Überlegenheitsanspruchs der weißen, männlichen Gesellschaft sahen sie nun die eigene Kultur, Nationalität, Hautfarbe bzw. Geschlecht als nicht mehr länger nur gleichrangig, sondern als überlegen an: „Die Identität und die Differenz werden nicht nur behauptet, sondern tendenziell noch weiter vertieft und radikalisiert. Einige schwarze Intellektuelle und Militante stellen das schwarze Denken mit seiner emotionalen Dimension der westlichen Erziehung entgegen, die beschuldigt wird, historisch die Gefühle untergeordnet zu haben, um der Kommunikation und Berechnung ausschließlichen Wert zu verschaffen. Bereits Senghor hat die These formuliert, wonach die Emotion schwarz, hingegen die Vernunft hellenisch sein.“ [8] Diese naturalistische Zuordnung hält aber einer Überprüfung nicht stand, denn Tatsache ist, dass es heute unzählige schwarze Naturwissenschaftler, Ingenieure, Techniker, Mediziner, Hochschullehrer sowie Lehrer gibt, die bei ihrer Arbeit selbstverständlich nicht ihren Gefühlen, sondern den Gesetzen der Vernunft folgen.
Der junge Mahatma Gandhi ging sogar so weit, zentrale Errungenschaften der Zivilisation als stumpfen Materialismus zu verurteilen: „Als synonym mit Unterwerfung, Versklavung und Gewalt gelten nun auch die Eisenbahn, die Industrie, die Benutzung von Maschinen, die Verstädterung und die Zerstörung der traditionellen bäuerlichen Gesellschaft. Dieser unwiderruflichen Verurteilung entgeht nicht einmal die Medizin, die ebenfalls unheilvoll sei, da sie beanspruche den Menschen zu heilen, indem sie zu Versuchszwecken Tausende von Tieren töte und sogar die Vivisektion praktiziere.“ [9] Nach Gandhi seien „die dunklen Seiten der (…) indischen Tradition eine Kleinigkeit verglichen mit der Barbarei, die vom Okzident aus auch Indien zu verschlingen drohe.“ [10] Doch mit einer solch nihilistischen Verwerfung der westlichen Moderne war der Aufbau eines unabhängigen Indiens unmöglich. Und so nutzte denn auch Jawaharlal Nehru, Nachfolger Gandhis als indischer Ministerpräsident, alle westlichen Errungenschaften, die dem Land für seine Entwicklung nützlich waren.
Heute behaupten Vertreter der sogenannten „Postkolonialen Theorie“, dass der Marxismus und die hinter ihm stehenden Traditionen der westlichen Aufklärung die Emanzipation des globalen Südens nicht voranbringen könnten, da diese letztlich eurozentristisch fixiert blieben. Gefordert wird ein „Anti-Universalismus“, trage doch der Universalismus Mitschuld an der kolonialen Herrschaft. [11] Behauptet wird die Existenz eines Essentialismus, wonach es jeweils einen gemeinsamen kulturellen Kern gäbe, den alle Mitglieder einer Kultur teilten. Ihr Verhalten bleibe daher letztlich durch ihre kulturelle Zugehörigkeit bestimmt.
Eine moralisch und naturalistisch begründete Überhöhung der eigenen Identität in Form eines Essentialismus können wir auch bei Vertreterinnen des Feminismus beobachten. Die den Frauen von Männern zugeschriebenen Eigenschaften des Mangels an Mut und des Fehlens kriegerischen Geistes werden von ihnen nicht länger als zu widerlegende Vorurteile, sondern als positive Eigenschaften gesehen, die es zu bewahren gälte. Doch die Realität widerspricht dieser Behauptung. In der Geschichte finden sich genügend Frauen, die in ihrer Gewaltbereitschaft und selbst in ihrer Blutrünstigkeit Männern nicht nachstanden. Es war wohl eher ein Mangel an Gelegenheiten, die die Frauen heute als friedlicher erscheinen lassen.
Die Verklärung der essentialistischen Kultur im Westen
In den westlichen Gesellschaften zeigen sich viele von der behaupteten moralischen Überlegenheit der um ihre Rechte Kämpfenden überzeugt. So wird bis heute der von Gandhi angeführte hinduistisch inspirierte gewaltfreie Widerstand als Ausdruck fernöstlicher Friedfertigkeit verklärt. Übersehen wird dabei, dass in diesem Kampf unzählige Opfer in den eigenen Reihen bewusst in Kauf genommen wurden, denn nur so war es möglich, die britischen Kolonialtruppen zu übermäßiger Härte zu provozieren, um sie dann in den Augen der Weltöffentlichkeit zu delegitimieren. Der gewaltfreie Widerstand war in Wirklichkeit ein ausgesprochen blutiger! [12]
Eine hohe Wertschätzung im Westen genießt auch der Buddhismus. Seine Anhänger werden als grundsätzlich friedfertig angesehen, die deshalb zu hilflosen Opfern staatlicher Repression werden und in zwischenreligiösen Konflikten regelmäßig unterliegen. Perfekt verkörpert wird dieses Image vom tibetischen Dalai Lama, dessen „Friedensbotschaften“ für die westlichen Staaten heute so nützlich in ihrem Kampf gegen die Volksrepublik China sind. Verschwiegen wird dabei regelmäßig, dass das alte Tibet des Dalai Lama eine rückständige Feudalgesellschaft war, die sich durch Diskriminierung, Unterdrückung, religiöse Intoleranz und vor allem Gewalt auszeichnete. „Der Vergleich zwischen dem Dalai Lama (zum Symbol der Friedfertigkeit erhoben) und China (als Synonym für Gewalt und Unterdrückung abgestempelt) ist integraler Bestandteil des Great Game, das mehr denn je gespielt wird.“ [13] Und was die grundsätzliche Friedfertigkeit des Buddhismus angeht, so haben die von buddhistischen Mönchen in Myanmar angeführten Pogrome gegen die muslimischen Rohingya erst jüngst der Weltöffentlichkeit vor Augen geführt, dass sie eine Schimäre ist.
Eine vergleichbare Verklärung gibt es gegenüber dem Islam. Vor dem Hintergrund der berechtigten Kritik an Diskriminierungen von Moslems spricht man verallgemeinernd von einer „Islamophobie“ des Westens. Verdeckt werden damit aber die Schattenseiten dieser Religion, sei es ihre verbreitete Intoleranz gegenüber „Ungläubigen“ oder die von ihr verteidigte patriarchalische Gesellschaftsordnung, in der Frauen und sexuelle Minderheiten diskriminiert werden. Übersehen wird auch die große Gewaltbereitschaft in islamischen Gesellschaften, sei es die dort existierende terroristische Gewalt oder der oft blutig ausgetragene Kampf zwischen Sunniten und Schiiten.
Hindus, Buddhisten und Moslems sind daher so wenig bessere Menschen als es Frauen, Juden, Schwarze, oder auch Homosexuelle sind. Ihre Diskriminierung in westlichen Gesellschaften rechtfertigt es nicht, ihre Defizite zu übersehen bzw. zu leugnen. Man muss sich vielmehr lösen von der traditionellen Haltung der Überlegenheit des christlichen, heterosexuellen, weißen Mannes gegenüber Frauen, anderen Rassen, Religionen und Angehörigen minoritärer sexueller Orientierungen, ohne aber zugleich in das Gegenteil zu verfallen und deren moralische Überlegenheit zu behaupten.
Die Bedeutung der Dimension Mensch
Es ist an der Definition der Menschenrechte festzuhalten, wie sie sich ab der Französischen Revolution entwickelt hat, wonach alle Menschen Träger von bürgerlichen, politischen und wirtschaftlich-sozialen Rechten sind. Dies bedeutet, „von der Klasse, von der Rasse, vom Geschlecht usw. zu abstrahieren, um die Differenz des Menschen im Vergleich zur tierischen oder nichtmenschlichen Welt hervorzuheben.“ [14] Dabei geht es nicht darum, die verschiedensten Differenzen zu leugnen oder auch nur zu bagatellisieren, sie müssen vielmehr in ihrer ganzen Bedeutung anerkannt und respektiert werden. Dabei darf man aber nicht stehen bleiben, denn das Allgemeine muss dergestalt sein, dass es das Besondere in sich fasse. Losurdo zitiert hier Lenin, der wiederum in seinem Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der Logik“ den großen deutschen Philosophen zitiert: „Eine ausgezeichnete Formulierung: 'Nicht nur abstrakt Allgemeines, das den Reichtum des Besonderen, des Individuellen, den Einzelnen in sich fasst' (allen Reichtum des Besonderen und des Einzelnen!) !! Tres bien!“ [15]
Angesichts der Verbrechen und Kriege, die vom Westen im Namen der Menschenrechte ausgeübt bzw. geführt werden, fügt Losurdo dem aber eine Warnung hinzu: „So ausgezeichnet diese Formel auch sein mag, schützt sie als solche noch nicht vor dem Abgleiten vom behaupteten Allgemeinen in ein Pseudo-Allgemeines, dass der Mann oder der weiße Mann oder der Eigentümer oder der westliche Mensch usw. sein kann. Wenn das Allgemeine nicht in der Lage ist, das Besondere zu subsumieren, rückt es selber zum Besonderen herab, und zu einem Besonderen, dem die Form der Allgemeinheit ein weiteres Potential der Aggressivität verleihen kann.“ [16] Dieser Gefahr der Instrumentalisierung der Menschenrechte für die Aufrechterhaltung der überkommenen bürgerlichen Gesellschaftsordnung kann nur begegnet werden, wenn man eine konkrete Analyse der konkreten Situation vornimmt. Mit anderen Worten: Es kommt darauf an, wer sich jeweils in welchem Zusammenhang auf die Menschenrechte beruft.
Separation - Das Mantra identitärer Politik
Zur Notwendigkeit einer solchen Analyse tritt die Suche nach dem Verbindenden, nach dem Allgemeinen, in dem der Reichtum des Besonderen aufgehoben ist. Damit unvereinbar ist es, die Klassen, Rassen, Geschlechter, Religionen und Kulturen jeweils nur für sich zu betrachten und gegeneinander abzuschotten. Das aber ist das Mantra der identitären Politik: „Kurz gesagt: Kann man vom 'Menschen schlechthin', zur 'Frau schlechthin', zum 'Schwarzen schlechthin' oder zum 'Proletarier schlechthin' übergehen? Jedes Mal kann man allerdings neue Differenzen einführen, Die nominalistische Auflösung der allgemeinen Begriffe kann bis ins Unendliche weitergehen, bis zur Unmöglichkeit des Gesprächs und der Kommunikation, bis hin zum Schweigen der Mystik oder des Wahnsinns.“ [17]
In den westlichen Gesellschaften beschreitet man aber diesen Weg der Separierungen, d.h. der Emanzipation nur der jeweiligen unterdrückten Klasse, des jeweiligen benachteiligten Geschlechts, der jeweiligen missachteten sexuellen Orientierung, der jeweiligen diskriminierten Religion usw. Hauptinstrument dieser Separierung ist die Quotierung. Sie sichert etwa seit Jahren den Frauen in den Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen sowie Linkspartei einen festen Anteil an den innerparteilich zu vergebenden Posten als auch bei öffentlichen Mandaten. [18] Inzwischen haben auch die Unionsparteien die Einführung einer solchen Frauenquote bis 2025 für sich beschlossen. Noch weiter geht die Forderung, dass alle Parteien per Gesetz darauf verpflichtet werden bei Wahlvorschlägen Frauen wie Männer zu gleichen Anteilen für öffentliche Mandate aufzustellen. [19] Eine feste Frauenquote soll es künftig auch in den Vorständen großer Unternehmen geben. Von all diesen Quotierungen profitieren aber nur sehr wenige Frauen, jene die bereits heute in Parteien und Unternehmen führende Positionen einnehmen. Ihre Karrierechancen verbessern sich dadurch deutlich. Für die große Mehrheit der Frauen verändert sich deren Situation hingegen nicht. Neuerdings soll mit Hilfe der Quotierung auch die gesellschaftliche Position von Menschen mit Migrationshintergrund verbessert werden. [20]
Die Praxis der Quotierung ist zu einem anerkannten Mechanismus für die Zuordnung gesellschaftlicher Chancen einzelner Gruppen geworden. Die Geschlechter und andere gesellschaftliche Gruppen erhalten auf diese Weise eigene, nach außen fest abgegrenzte Räume, wobei dann nur noch Verhandlungen darüber zu führen sind, wie groß diese Räume jeweils sein dürfen. Doch was ist mit dem „Dritten Geschlecht“ von dem immer häufiger die Rede ist? Wird es für jene, die sich ihm zurechnen und für die bereits die Bezeichnung „divers“ verwendet wird, auch bald eine Quotierungsregelung geben? In dem vom Brandenburger Landtag auf Initiative von SPD und Linkspartei beschlossenen Paritätsgesetz war für diese Menschen eine solche Quotierung bereits vorgesehen. Und was ist mit den Behinderten, den Angehörigen religiöser Minderheiten und anderer Gruppen? Sie werden ebenfalls auf ihre Quoten pochen. Wo endet dann die um sich greifende Praxis der Separierung? Im Ergebnis entsteht eine immer stärke Zerteilung der Gesellschaft bei gleichzeitiger Sprachlosigkeit der verschiedenen Akteure untereinander. Es droht die Herausbildung einer neuen Kastenordnung.
Das Elend der identitären Politik
Das Aufkommen der identitären Politik kann nur vor dem Hintergrund der neoliberalen Wende am Beginn der 1980-Jahre verstanden werden. Mit der Verschiebung der Machtverhältnisse zugunsten der Privilegierten und Besitzenden endete eine die Phase der Emanzipation nach dem zweiten Weltkrieg, in der es zu Fortschritten in der Emanzipation der Frauen, der Rassen, der Menschen des globalen Südens, vor allem aber der Lohnabhängigen gekommen war. Erneut begann nun eine Phase der De-Emanzipation. Beschleunigt wurde diese Entwicklung durch die Auflösung der Sowjetunion und des europäischen sozialistischen Staatensystems. Für die Bundesrepublik bedeutete die Übernahme der DDR, dass sich für viele Lohnabhängige im Osten aber auch im Westen, darunter insbesondere Frauen, deren Situation erheblich verschlechterte.
Mit dem Ende der Systemalternative verschwand in Ost wie in West das Ziel der Emanzipation der Allgemeinheit, des Menschen schlechthin, das bis dahin – wenn auch oft mit einem utopischen Akzent versehen – mit dem Begriff Sozialismus gekennzeichnet worden war. Die Diskriminierten und Unterdrückten versuchen seitdem ihre Emanzipation ohne ein solch integrierendes historisches Projekt voranzubringen. Das Mittel dazu ist die identitäre Politik! Vorangetrieben wird diese Segmentierung der Politik von den übrig gebliebenen Linken, die in der identitären Politik einen Ersatz für die verloren gegangene Perspektive einer allgemeinen Emanzipation sehen. [21] Die Glorifizierung und Romantisierung der um ihre Emanzipation Kämpfenden trat dabei an die Stelle des Projekts Sozialismus: „In der Linken bildet dieser extreme Nominalismus das epistemologische Pendant zur politischen Unfähigkeit, ein allgemeines Projekt der Emanzipation auszuarbeiten.“ [22] Und in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung heißt es zu Recht: „Partikularistische Sentimentalitäten waren der kommunistischen Idee ebenso fremd wie selektive Monopolisierungen kultureller Elemente. Die kommunistische Ideologie war universalistisch und dezidiert fortschrittsorientiert. Daher ist es bemerkenswert, dass sich jetzt ausgerechnet Teile der Linken als Speerspitze einer kruden Identitätspolitik gerieren, die im Kern um einen neoessentialistischen Kulturbegriff kreist.“ [23]
An der Emanzipation der Allgemeinheit festhalten!
In der Geschichte des Sozialismus gibt es viele Anknüpfungspunkte für solch ein „allgemeines Projekt der Emanzipation“. Bereits Karl Marx und Friedrich Engels verstanden unter der von ihnen geforderten Emanzipation des Menschen keineswegs nur die Befreiung des Proletariats von der Lohnarbeit. Der junge Engels sah vielmehr in seiner Schrift „Zur Lage der arbeitenden Klasse in England“ ganz allgemein im „Proletariat das Gegengewicht zu dem von Individualisierungen und Privateigentum verursachten sozialen Auflösungserscheinungen.“ [24] Auch für Marx kam dem Proletariat eine zentrale politische Aufgabe zu: Nur diese Klasse sei aufgrund ihrer gesamtgesellschaftlichen Stellung in der Lage, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“. [25]
Im „Kommunistischen Manifest“ schreiben die beiden Denker: „Indem das Proletariats zunächst sich die politische Herrschaft erobern, sich zur nationalen Klasse erheben, sich selbst als Nation konstituieren muss, ist es selbst noch national, wenn auch keineswegs im Sinne der Bourgeoisie“. [26] Sich zur „Nation zu konstituieren“ bedeutet hier nichts anderes als das Allgemeininteresse zu formulieren und durchzusetzen. Bereits zuvor heißt es im Manifest: „Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Minoritäten oder im Interesse von Minoritäten. Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl.“ [27]
In der II. Internationale, am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wurde diese allgemeingesellschaftliche Rolle des Proletariats mehr und mehr auf eine berufsständische Sicht der Erringung und des Erhalts des sozialen Stands der Lohnabhängigen reduziert. Es war in erster Linie das Verdienst Lenins, diese Verengung zunächst theoretisch zu kritisieren und dann in der Oktoberrevolution auch praktisch aufzulösen: „Lenin war der erste Sozialdemokrat, der die berufsmäßige Selbstisolierung der Arbeiterbewegung durchschaute und als das Haupthindernis für die Revolution bekämpfte.“ [28]
Die Russische Revolution war aber nicht nur Vorbild für die revolutionäre Arbeiterbewegung in Westeuropa, sondern vor allem auch für die nationalrevolutionären Befreiungsbewegungen des globalen Südens. Während die Revolutionen im Westen scheiterten, erhielt sich im Osten und Süden der revolutionäre Impuls. Die Umwälzungen in China, Korea und dann in Vietnam wurden so möglich. Auch in Lateinamerika, in der arabischen Welt und in Teilen Afrikas blieb das Vorbild des Roten Oktober lebendig. Sichtbarster Ausdruck davon war die kubanische Revolution 1959.
Mao Zedong, Ho Chi Minh, Castro und die anderen Revolutionäre konnten aber nicht nur an Lenin, sondern auch an Karl Marx und Friedrich Engels anknüpfen. Beide hatten sich Zeit ihres Lebens gegen rassistische und nationale Unterdrückung ausgesprochen und sie in Worten und Taten bekämpft. Sie verfolgten mit großem Interesse den Sezessionskrieg in den USA und unterstützten die Sache des Nordens. Die Arbeiter in Europa forderten sie auf, sich mit den Gegnern der Sklaverei solidarisch zu zeigen.
Ein besonderes Anliegen war ihnen stets die Solidarität mit dem von Großbritannien unterdrückten Irland. Friedrich Engels plante ein Buch über die Geschichte der Insel und über den Befreiungskampf des irischen Volkes zu schreiben, andere dringende Arbeiten verhinderten aber seine Fertigstellung. [29] Mit großer Sympathie begleiteten Marx und Engels auch den Kampf des polnischen Volkes um seine Selbstbestimmung. Eine Kundgebung englischer und französischer Arbeiter 1863 zur Solidarität mit dem polnischen Aufstand gegen die russische Herrschaft wird Anlass für die Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation. Am Ende seines Lebens beschäftigt sich Marx intensiv mit den historischen, sozialen und politischen Verhältnissen in Russland, China und Indien. Aus den von ihm dafür herangezogenen Büchern fertigt er umfangreiche Exzerpte an, von denen bis heute erst wenige veröffentlicht sind. In einem Brief an die russische Zeitung „Otetschestwennyje Sapiski“ widerspricht Marx ausdrücklich der Behauptung, er habe mit „seiner historischen Skizze von der Entstehung des Kapitalismus in Westeuropa“ eine „geschichtsphilosophische Theorie des allgemeinen Entwicklungswegs“ vorgelegt, der „allen Völkern schicksalsmäßig vorgeschrieben“ ist. Er bestreitet denn auch, dass es einen „Universalschlüssel einer allgemeinen geschichtsphilosophischen Theorie“ gäbe. [30] Marx war demnach - zumindest in seinen späteren Jahren – keineswegs jener Eurozentrist, der keinen Blick für andere Entwicklungswege in anderen Gesellschaften hatte, wie heute von Vertretern der „postkolonialen Theorie“ behauptet wird.
Auch in der Geschlechterfrage sahen die beiden Klassiker sehr wohl ein Unterdrückungsverhältnis. Hier war es vor allem Engels, der dieser Frage große Beachtung schenkte. In seinem Text „Grundsätze des Kommunismus“ plädierte er für den Kommunismus, da er „die Abschaffung des Privateigentums zum Ziel habe und eine gemeinschaftliche Kindererziehung befürworte. Dadurch zerstöre er 'die beiden Grundlagen der bisherigen Ehe, die Abhängigkeit des Weibes vom Mann und der Kinder von den Eltern vermittelt des Privateigentums'.“ [31] 1884 erscheint sein Werk „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“, in dem er die Bedeutung der Klassenverhältnisse auf die Entwicklung der Familie untersucht. Inzwischen werden immer mehr Notizen und Buchexzerpte bekannt, die zeigen, dass sich auch Marx in seinen späteren Jahren intensiv mit der Geschlechterfrage beschäftigt hatte. [32] Auf jeden Fall war sie für Marx und Engels alles andere als ein „Nebenwiderspruch“!
Das Werk von Marx und Engels bietet daher die Grundlage für die Entwicklung einer Theorie der allgemeinen Emanzipation. Über Marx schreibt Losurdo abschließend: „Zumindest in seiner reifsten Formulierung will seine Theorie eine allgemeine Theorie des sozialen Konflikts sein, der sich von Mal zu Mal anders darstellt und der nur mit Hilfe einer konkreten Analyse der konkreten Situation erfassbar ist.“ [33] Auf dieser Basis lässt sich der Kampf gegen die Identitätspolitik führen.
[1] Domenico Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz – Für einen konkreten Universalismus, in: Brecht – Eisler – Marcuse 100. Fragen kritischer Theorie heute. Institut für kritische Theorie, Argument Sonderband neue Folge 266, Berlin/Hamburg 1999, S. 79
[2] Vgl. Walter Markov, Albert Soubol, 1789. Die Große Revolution der Franzosen, Köln 1989, S. 143
[3] In seiner Vorlesung über die Philosophie des Rechts im Wintersemester 1819/20 sagt Hegel: „Dass man bei einer feierlichen Gelegenheit den Code Napoléon verbrannt hat, kann als eine traurige Erscheinung unter unserer Jugend betrachtet werden. (…) Der Code Napoléon enthält jene großen Prinzipien der Freiheit des Eigentums und der Beseitigung all dessen, was aus der Feudalzeit herrührt.“ Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Philosophie des Rechts, Die Vorlesung von 1819/20 in einer Nachschrift, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1983, S. 172 f.
[4] Mit diesen Worten pries Hegel die Französische Revolution. Vgl. Joachim Ritter, Hegel und die Französische Revolution, Westdeutscher Verlag 1957, S. 18
[5] Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz – Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S.80
[6] Ebenda. Auch in anderen englischen Siedlerstaaten verfuhr man so. In einem Bericht über die Behandlung der Ureinwohner Kanadas hieß es: „Über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren entriss die Regierung fast 150.000 Kinder ihren Familien und steckte sie in Internate. Dort sollte ihre Kultur – Feste, Lieder, Sprache, Religion – in Vergessenheit geraten, während die Traditionen der europäischen Einwanderer erlernt werden sollten. Gewalt, Zwangsarbeit und sexueller Missbrauch waren an der Tagesordnung.“ In: Überreste von 215 Kindern entdeckt, FAZ vom 31.05.2021
[7] Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz – Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 81
[8] Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz – Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 83
[9] Domenico Losurdo, Gewaltlosigkeit, Hamburg 2010, S. 48 f.
[10] Ebenda
[11] Vgl. zur Kritik der postkolonialen Theorie: Wie spricht die Subalterne? Interview mit Vivek Chibber, in: Marx und der globale Süden, Köln 2016, S. 56 ff.
[12] Vgl. Domenico Losurdo, Gewaltlosigkeit, a.a.O., Kapitel 4, Abschnitt 3 „Gewaltlosigkeit als Technik, um moralische Empörung hervorzurufen“, S. 95 ff.
[13] Domenico Losurdo, Gewaltlosigkeit, a.a.O., S. 215
[14] Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz – Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 88
[15] W.I. Lenin, Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der Logik“, in: Lenin Werke, Berlin 1964, Band 38, S. 91
[16] Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz – Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 92
[17] Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz – Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 90
[18] In Deutschland führte zunächst die Partei Bündnis 90/Die Grünen eine feste Quote für Frauen auf ihren Vorschlagslisten für öffentliche Mandate ein. Für die SPD gilt die Geschlechterquote seit dem Bundesparteitag 1988 für alle Wahlen innerhalb der Partei und alle Europa-, Bundes-, Landtags- und Kommunalwahlen. Sie besagt, dass in Parteifunktionen und Wahllisten Männer und Frauen jeweils zu mindestens 40 Prozent vertreten sein müssen. Die Partei DIE LINKE hat die „Geschlechterdemokratie“ in ihrer Bundessatzung verankert. Danach gilt: „Bei Wahlen von Vorständen, Kommissionen, Arbeitsgremien und Delegierten sind grundsätzlich mindestens zur Hälfte Frauen zu wählen. (…) Bei Wahlvorschlaglisten sind einer der beiden ersten Listenplätze und im Folgenden die ungeraden Listenplätze Frauen vorbehalten, soweit Bewerberinnen zur Verfügung stehen. (…) Reine Frauenlisten sind möglich.“ Vgl. Bundessatzung der Partei DIE LINKE https://www.die-linke.de/partei/grundsatzdokumente/bundessatzung/
[19] 2019 hatte der Landtag Brandenburg auf Initiative von SPD und der Partei DIE LINKE das sogenannte „Paritätsgesetz“ beschlossen und damit die gesetzliche Quotierung der Landeslisten für alle Parteien für die übernächste Landtagswahl angeordnet. Für Menschen, die sich weder als männlich noch als weiblich sehen, waren besondere Plätze auf den Wahllisten vorgesehen. Ein entsprechendes Gesetz beschloss auch der Landtag von Thüringen. Inzwischen haben sowohl der Thüringer Verfassungsgerichtshof als auch das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg die Gesetze verworfen, da sie in unzulässiger Weise in die innere Ordnung der Parteien eingreifen.
[20] Im Januar 2021 gab die von der Partei DIE LINKE gestellte Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales Elke Breitenbach ihre Absicht bekannt, eine 35-Prozent-Quote für Migranten im Öffentlichen Dienst einzuführen und künftig ihre Bevorzugung bei einer Einstellung vorzunehmen. Vom Koalitionspartner SPD wurde dieser Vorschlag abgelehnt. Vgl. SPD wertet Breitenbachs Vorstoß als „grobes Foul“ in: Der Tagesspiegel vom 16.01.2021 https://www.tagesspiegel.de/berlin/streit-ueber-berliner-migrantenquote-spd-wertet-breitenbachs-vorstoss-als-grobes-foul/26824474.html
[21] Eine Ausnahme ist Sahra Wagenknecht. In ihrem Buch „Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm für Gemeinsinn und Zusammenhalt“ unterzieht sie die identitäre Politik einer schonungslosen Kritik.
[22] Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz – Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 90, Nominalismus wird hier als die Existenz eines Allgemeinbegriffs verstanden, der nur im Denken existiert und keine Entsprechungen in der Realität hat.
[23] Susanne Schröter, Mehr kulturelle Aneignung wagen, in: FAZ vom 14.06.2021
[24] Gareth Stedman Jones, Das Kommunistische Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels. Einführung, Text, Kommentar, München 2012, S. 82
[25] Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, Marx-Engels-Werke (MEW) 1, Berlin 1983, S. 385
[26] Karl Marx und Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4, Berlin 1983, S. 479
[27] Karl Marx und Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, a.a.O., S. 472
[28] Arthur Rosenberg, Demokratie und Sozialismus, zur politischen Geschichte der letzten 150 Jahre, Frankfurt am Main 1962, S. 280
[29] Dokumentiert sind die Artikel und Briefe über Irland in: Karl Marx und Friedrich Engels, Irland. Insel im Aufruhr, Berlin (DDR), 1975
[30] Karl Marx, Brief an die Redaktion der russischen Zeitung „Otetschestwennyje Sapiski“, geschrieben etwa November 1877, in: MEW 19, S. 111 f.
[31] Gareth Stedman Jones, Das Kommunistische Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels, a.a.O., S. 88
[32] Vgl. dazu Heather Brown, Geschlecht und Familie bei Marx, Berlin 2021
[33] Losurdo, Gleichheit, Allgemeinheit, Differenz – Für einen konkreten Universalismus, a.a.O., S. 88
Der Text erschien am 20.06.2021 auf Telepolis
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