Richtungskampf

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zeigt sich hochzufrieden: »Der Pariser Krawallminister Montebourg tritt ab.« Zufrieden sind auch die Anleger an der Pariser Börse. Dort löste die politische Krise Kurssteigerungen aus. Die Finanzkapitalisten wussten sehr genau, dass die Auflösung des Kabinetts von Premierminister Manuel Valls nur den einen Zweck hatte, den linken Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg und einige seiner Mitstreiter loszuwerden.

Anlass war ein Interview Montebourgs am letzten Wochenende in der Zeitung Le Monde. Darin hatte er Präsident Hollande aufgefordert, den »Ton« gegenüber Deutschland »zu verschärfen«. Frankreich solle nicht »der Ideologie der deutschen Konservativen« folgen, denn die führe in die Sackgasse. »Deutschland sitzt in der Falle der Austeritätspolitik, die es ganz Europa aufzwingt.« Diese Kritik war zuviel für Premierminister Valls. Seinen Präsidenten stellte er vor die Wahl: »Er oder ich«.

Der Rauswurf des Wirtschaftsministers signalisiert die endgültige Festlegung der französischen Sozialisten auf einen strikten Kurs der Austerität nach dem Vorbild der deutschen Agenda 2010 mit drastischen Kürzungen bei staatlichen Leistungen und gleichzeitigen Steuererleichterungen für die Finanzkapitalisten. Damit soll Frankreichs dramatischer industrieller Niedergang aufgehalten werden. 2011 trug das verarbeitende Gewerbe nur noch 10,1 Prozent zur Bruttowertschöpfung bei. Das ist der niedrigste Wert im Euro-Raum. Italien hingegen kam auf 16 und Deutschland auf 22,6 Prozent. Allein seit 2009 schlossen 613 französische Fabriken und wurden 140000 Arbeitsplätze vernichtet.

Montebourg, der auch »Minister für den industriellen Wiederaufbau« war, wollte diesem Abstieg mittels großzügiger Förderung innovativer Industrien begegnen. Dafür legte er sich auch mit der Europäischen Kommission an, die für ein striktes Subventionsverbot steht. »Die Kommission ist von ideologischem Fundamentalismus geprägt, sie hat sich eingekapselt und hängt einem veralteten Denken nach«. Und: »Wenn die Industrie wieder auf die Beine kommen soll, muß man die Staatshilfen liberalisieren«. Folgerichtig verlangte er die Rückübertragung der Zuständigkeit für Industriepolitik von der EU an die Mitgliedsländer.

Montebourg steht in der Tradition einer auf die französischen Verhältnisse zugeschnittenen Variante des staatsmonopolistischen Kapitalismus, bei der die Wettbewerbsschwäche der einheimischen Konzerne, vor allem gegenüber den deutschen, durch eine aktive staatliche Wirtschafts- und Industriepolitik ausgeglichen werden soll. Davon verabschieden sich nun die französischen Sozialisten. Den rechtsradikalen Front National wird das freuen. Er kann sich fortan noch ungenierter als der eigentliche Verteidiger französischer Interessen gegenüber Berlin und Brüssel aufspielen.

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