Illusionen statt Solidarität
Alle reden über Griechenland. Auch das »Forum DL21«, die sozialdemokratische Linke, wollte da nicht fehlen. Am 2. Februar lud sie zur Diskussion »Griechenland nach den Wahlen« ins Berliner taz-Café. Unter Leitung der Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden von »DL21«, Hilde Mattheis, diskutierten der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Norbert Spinrath, der Korrespondent der griechischen Zeitung Ta Nea, Georgios Pappás, der europapolitische Berater von ver.di, Klaus Busch, sowie das Mitglied des Zentralkomitees von Syriza, Giorgos Chondros.
Bereits die Einladung von Syriza war erstaunlich, gehört sie doch der Europäischen Linkspartei an. Aber die PASOK, die griechische Schwesterpartei der SPD, hatte bei den Wahlen so katastrophal schlecht abgeschnitten, dass man sie nicht mehr vorzeigen mag. Ist Syriza also der neue griechische Partner zumindest der linken Sozialdemokratie? So könnte es kommen, doch erst – und dies hat der Abend gezeigt – wenn sie von ihren Forderungen nach einem Schuldenschnitt und einem Ende der Austeritätspolitik ablässt. Dafür fand nämlich Giorgos Chondros keine Unterstützung am Montag.
Da nutzte es ihm auch nichts, dass er beeindruckend die Verwüstungen schilderte, die die Troika in seinem Land angerichtet hat. Die anderen Podiumsteilnehmer sowie das Publikum hörten sich das zwar in Ruhe und nicht ohne eine gewisse Empathie an, doch unterstützen will man die zentralen Forderungen von Syriza deshalb noch lange nicht.
Mattheis fiel dazu nur die Frage ein, wer das denn alles bezahlen solle. Und für Klaus Busch wäre ein Schuldenschnitt eine »unsolidarische Maßnahme gegenüber den übrigen Euroländern«, die nur »zu einer Destabilisierung der gesamten Eurozone« führe. Erwärmen könne er sich lediglich für einen »weichen Schuldenschnitt«, d.h. für eine Absenkung der Zinsen und eine Verlängerung der Tilgungsfristen. Also, alles wie gehabt: Die Schulden müssen am Ende vollständig zurückgezahlt werden. Auch dem Verlangen nach Rückgängigmachung der Privatisierungen konnte der Gewerkschaftsberater nichts abgewinnen, würde dies »doch internationale Investoren abschrecken«. Die Lösung sieht Busch stattdessen in der »Schaffung eines sozialen und demokratischen Europas«. Statt solidarisch zu sein, verbreitete er so nur Illusionen.
Noch zugeknöpfter gab sich Norbert Spinnrath. Zwar habe es die eine oder andere Übertreibung bei der Austeritätspolitik gegeben, doch den Griechen mangele es vor allem an Reformbereitschaft. Er ereiferte sich über Oligarchen, die ihre Steuern nicht bezahlen und stattdessen in Berlin Wohnungen kaufen, die »sich kaum ein Deutscher leisten könne«. Zudem gäbe es immer noch zu viele griechische Beamte. Auch hier also alles wie gehabt: Es sind die Griechen, die vor allem an ihrer Misere selbst schuld sind. Auch Georgios Pappás sprach lieber über das »Versagen der alten griechischen Eliten« als über die verheerende Politik der EU.
In der Diskussion wurde die Entscheidung Syrizas, eine Koalition mit den rechtskonservativen »Unabhängigen Griechen« zu bilden, kritisiert. Jemand beschrieb sie gar als »Pakt mit dem Teufel«. Auch Mattheis trieb vor allem diese Frage um. Immer wieder wurde die sozialliberale To Potami genannt, die doch stattdessen für eine Koalition bereitgestanden hätte. Da half es Chondros nichts, als er mit Beispielen erklärte, dass mit dieser linksliberalen Partei ein Ende der Kürzungs- und Privatisierungspolitik nicht zu erreichen ist. Den im taz-Café Versammelten war die Einhaltung der Political Correctness allemal wichtiger.
Dem Vertreter von Syriza gelang es am Ende nicht, die Mehrheit der Anwesenden für sich zu gewinnen. Vergeblich sein Antichambrieren (»Wir diskutieren hier unter Linken«) als auch sein Bekenntnis, Syriza sei die »proeuropäischste Partei Griechenlands«. Der Abend zeigte stattdessen, dass Alexis Tsipras auch von der SPD, nicht einmal von ihrem linken Flügel, Unterstützung erwarten darf. Eine ernüchternde Tatsache.
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