Hoffnungsträger
Alexis Tsipras ist nicht nur Spitzenkandidat von Syriza. Er ist auch Hoffnungsträger der in der Europäischen Linkspartei (ELP) zusammengeschlossenen moderaten Linken. Ausdruck dieser Wertschätzung war seine Kandidatur für die Funktion des Kommissionspräsidenten bei den Europawahlen im Mai 2014. Zwar hatte sie nur symbolische Bedeutung, da die europäische Linke nie eine Chance hatte, eine Mehrheit im Europäischen Parlament zu erreichen und damit den Anspruch erheben zu können, den Kommissionspräsidenten vorzuschlagen. Doch Tsipras gelang es dabei, die Europäische Linkspartei zu prägen.
Dieser Rolle entsprechend versucht Alexis Tsipras, die in Griechenland von Syriza verfolgte Strategie in Übereinstimmung mit der Politik der europäischen Linken zu bringen. Ein möglicher Erfolg seiner Partei wird von ihm als Beginn einer europaweiten Wende hin zu einer anderen Politik angesehen, die die Austeritätspolitik in der gesamten EU beenden soll.
Auf dem Berliner Parteitag der Linkspartei am 11. Mai 2014 kündigte er an, dass eine von ihm geführte griechische Regierung, »das verspreche ich, (…) auch für eure Interessen verhandeln wird. Unser Streit mit Frau Merkel hat keinen nationalen Charakter, es ist ein politischer und sozialer Streit. (…) In Griechenland begann der Teufelskreis von Austerität und sozialer Verzweiflung. In Griechenland wird nun die Veränderung beginnen.«
Und in seiner Rede zum Auftakt des griechischen Wahlkampfes erklärte Tsipras: »Am 25. Januar findet die notwendige Wende in Europa hier in Griechenland ihren Anfang. Und unser Wahlsieg wird Ende des Jahres auch zum Sieg des spanischen Volkes. Mit Podemos und Izquierda Unida an der Regierung. Und ein Jahr später zu einem Sieg des irischen Volkes. Mit der Sinn Fein von Gerry Adams. Und schrittweise wird daraus eine Angelegenheit von immer mehr Menschen werden.«
Es ist aber fraglich, ob von einem Syriza-Wahlsieg die Initialzündung für ein Ende der Austeritätspolitik in der EU ausgehen kann. Eine linke Regierung in Athen wird angesichts der für sie schwierigen Situation froh sein müssen, wenn sie überhaupt etwas von ihrem Programm durchsetzen kann. Und selbst wenn sie sich behauptet, so wird Griechenland als nun einmal kleines und schwaches EU-Land nicht die europäische Agenda verändern können. Dies wird erst dann möglich sein, wenn es zu Linksentwicklungen in einem oder mehreren der großen Staaten kommt, in Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder Italien. Danach sieht es heute aber nicht aus.
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