Hingezerrt

Das Krisenszenario um Irland kann absurder nicht sein. Da erklärt die irische Regierung über Wochen, dass sie gar keine Hilfe benötigt, um plötzlich doch um „mehrere zehn Milliarden Euro“ zu bitten. Da drängen die Staatschefs der kerneuropäischen Länder das Land, Hilfen aus dem im Mai vereinbarten „Rettungsschirm“ anzunehmen, obwohl man in Berlin und Paris doch immer wieder betont hatte, dass man fest davon ausgehe, kein Land der Eurozone werde diesen Rettungsschirm je benötigen . Nun kann es ausgerechnet diesen professionellen Schönfärbern nicht schnell genug gehen.

Wie passt das alles zusammen? Mit Sicherheit taugt die herumgereichte offizielle Begründung nichts, nach der es lediglich um die Eindämmung einer „Ansteckungsgefahr“ für andere Defizitstaaten gehe. Mit der Unterstützung für Irland - so heißt es - sollten die Finanzmärkte beruhigt werden, so dass die Anleiherenditen auch für Portugal und Spanien nicht weiter steigen. Doch diese Rechnung ging auch mit dem „Rettungspaket“ für Griechenland nicht auf. Das hatte die Märkte nur kurz beeindruckt. Ausschlaggebend für die jetzt aufgedrängte Hilfe dürfte denn auch etwas anderes sein. Bei der Entscheidung über den Rettungsschirm Anfang Mai wurde auch beschlossen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) in Schwierigkeiten geratenen Banken Staatsanleihen großzügig abkaufen und sie so reichlich mit neuer Liquidität ausstatten kann. Die EZB ist seitdem, wie schon länger ihre amerikanische Schwester FED, auch eine „Bad-Bank“. Es kein Geheimnis, dass es in den letzten Wochen vor allem irische Banken waren, die von dieser Großzügigkeit reichlich Gebrauch machten. Diese Praxis will die EZB nun beenden. Sie fürchtet, auf immer mehr uneinbringbare Kredite sitzenzubleiben.

Es war deshalb vor allem EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, der die irische Regierung massiv unter Druck setzte. Dabei geht es gar nicht einmal in erster Linie um die Milliarden-Hilfe selbst, denn auch diese Gelder kommen aus Europa, wenn nicht mehr aus Frankfurt, so zukünftig eben aus Brüssel. Sehr viel wichtiger ist, dass man Zugriff auf den irischen Staatshaushalt erhält. Wie Griechenland im Frühjahr, so gerät jetzt auch Irland unter Aufsicht der Europäischen Kommission und des Internationalen Währungsfonds. Es wird ein weiteres „ausländisches Protektorat“ (FAZ vom 22.11.10) geschaffen. Und wie in Griechenland werden vor allem die Lohnabhängigen und die sozial Schwachen darunter leiden. Kürzungen der Sozialetats in zweistelliger Milliardenhöhe sind bereits angekündigt. Der skandalös niedrige irische Unternehmenssteuersatz von knapp über 12 Prozent soll hingegen weiter gelten. Damit zeigt die EU einmal mehr, auf wessen Seite sie steht. Zum „Fall Griechenland“ kommt nun der „Fall Irland“ hinzu. Die europäische Finanzkrise ist noch lange nicht zu Ende. 

 

 

 

 

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