Erdmute Brielmayer

Sechs Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes Domenico Losurdo starb am 19. September 2024 Erdmute Brielmayer.

1967 lernte Domenico Losurdo bei einem Deutschlandaufenthalt Erdmute Brielmayer in Tübingen kennen, die dort Psychologie studierte und in diesem Fach diplomiert wurde. Geboren wurde sie 1943 in Tegernsee. Ihre Schwester Christa Harrer gehörte als Mitglied der SPD zwanzig Jahre dem Bayerischen Landtag an. Nach Abschluss ihres Studiums arbeitete Erdmute an einem Institut für Markt- und Meinungsforschung in Frankfurt am Main. Nach ihrer Heirat mit Domenico und ihrem gemeinsamen Umzug nach Italien im Jahr 1969 wurde sie Dotoressa (Doktorin) der Pädagogik. Über mehrere Jahre erteilte sie in ihrer neuen Heimat Deutschunterricht. Sie selbst hatte Italienisch in nur einem Jahr erlernt. Erdmute Brielmayer übersetzte in den folgenden Jahrzehnten den Großteil der zahlreichen Bücher Domenicos ins Deutsche. Als seine Mitarbeiterin las sie seine Texte Korrektur, kümmerte sich um Zitate und besorgte notwendige Literatur. Durch diese Arbeit wurde sie in vielen philosophischen und politischen Fragen selbst zur Expertin - etwa während der fast zweijährigen Übersetzung des Doppelbandes „Nietzsche – der aristokratische Rebell“. Am Ende kannte sie – so ihre Worte - „den ganzen Nietzsche in- und auswendig“.      

Gemeinsam war das Paar politisch aktiv. Sie gehörte etwa zu einer Delegation von Frauen des Partito Comunista d’Italia (PCd’I), die in den 70er Jahren China bereiste. Sie - die in der Familie nur Ute genannt wurde - war Domenicos wichtigste Beraterin und erledigte zugleich die zu Hause anfallenden täglichen Dinge, wodurch sie ihm den Rücken freihielt. Nur deshalb war es ihm möglich, wissenschaftlich und publizistisch so produktiv sein.

1978 wurde ihr Sohn Federico geboren. Wie sein Vater studierte er an der Universität Urbino, allerdings nicht wie Domenico Geschichte und Philosophie, sondern Rechtswissenschaft. In Urbino erhielt er in diesem Fach eine Professur.

Von 1972 bis 1987 lebte die Familie in Pesaro, einer Hafenstadt an der Adria, zwischen Rimini und Ancona gelegen. Da die Wohnung allmählich zu klein wurde für die Familie, vor allem aber für die vielen Bücher, zogen die Losurdos 1987 in ein geräumiges Haus in Colbordolo, ein kleiner Ort auf einem Hügel gelegen, von dem man einen weiten Blick bis zu den Höhen des Apennin hat. Von hier aus war auch der Weg Domenicos zur Universität von Urbino kürzer. Vor allem aber bot das neue Haus endlich genügend Platz für die stetig wachsende Bibliothek.

In Colbordolo lebte Erdmute in den Jahren nach dem Tod Domenicos im Juni 2018 zurückgezogen zusammen mit ihrem Sohn Federico. Durch eine heimtückische Krankheit in ihrer Mobilität stark eingeschränkt, blieb sie aber geistig bis zu ihrem letzten Tag hellwach. Mit ihrem umfassenden Wissen und ihrem Rat begleitete sie die Herausgabe der von Domenico nach seinem Tod erschienenen Bücher. Die Verbreitung seines Werks, die vielen Übersetzungen in immer mehr Sprachen, die zahlreichen Rezensionen sowie die wissenschaftlichen Tagungen zu seinem Werk auf allen Kontinenten verfolgte sie stets mit großem Interesse und mit Genugtuung, war doch sein Werk zugleich auch ihr Werk.

 

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