Einfach richtig
Es spricht wenig dafür, dass die Zukunft der EU zum Thema im anstehenden Bundestagswahlkampf wird. Worüber sollte auch gestritten werden? Sowohl Bundesregierung als auch SPD und Grüne sind sich darin einig, dass nur ein »Mehr an Europa« die Antwort auf die Krise sein kann. Alle wollen die Politische Union und eine EU-Wirtschaftsregierung. Dass die einen darunter vor allem eine Aufsichtsunion und die anderen mehr eine soziale Union verstehen, fällt nicht ins Gewicht.
Den linksliberalen Akzent in diesem parteiübergreifenden Streben hatten am 4. August 2012 Peter Bofinger, Jürgen Habermas und Julian Nida-Rümelin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) gesetzt. Ihnen geht es um »die institutionelle Absicherung einer gemeinsamen Fiskal-, Wirtschafts- und Sozialpolitik im Euro-Raum mit dem weitergehenden Ziel, die verlorene Handlungsfähigkeit der Politik gegenüber den Imperativen des Marktes auf transnationaler Ebene wiederzugewinnen. (…) Denn nur für ein politisch geeintes Kerneuropa besteht die Aussicht, den inzwischen fortgeschrittenen Prozess der Umwandlung der sozialstaatlichen Bürgerdemokratie in eine marktkonforme Fassadendemokratie umkehren zu können.«
Am 22. November antwortete Oskar Lafontaine darauf, ebenfalls in der FAZ. Er glaubt nicht, dass die vorgeschlagene Vertiefung der Europäischen Gemeinschaft unter den gegenwärtigen Bedingungen geeignet ist, die Fassadendemokratie zu überwinden: »In Brüssel ist es nicht besser. Noch stärker als die Entscheidungen der nationalen Parlamente und Regierungen sind die Beschlüsse des europäischen Parlaments und der europäischen Kommission von Lobbyisten beeinflusst.« Der Kampf muss daher zu Hause geführt werden: »Gerade nicht auf europäischer, sondern auf nationalstaatlicher Ebene muss die Umwandlung von Zockerbuden in Sparkassen organisiert werden (…). Man braucht dann auch keine europäische Bankenunion. (…) Es bedarf auch keiner Übertragung von Souveränitätsrechten, um das Lohndumping in Deutschland zu beenden. Die Änderung der Zumutbarkeitsklausel bei Hartz IV und die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, verbunden mit einer produktivitätsorientierten Tarifpolitik, genügen.« Seine Schlussfolgerung ist so einfach wie richtig: »Das demokratische Europa beginnt zu Hause und verlangt zuallererst in Deutschland eine Politik, die den Interessen der Mehrheit entspricht.«
Lafontaine geht damit wieder einmal seiner Partei voran, denn die glaubt ja ebenfalls, daß das Heil in einer demokratischen, sozialen und ökologischen Union liegt. Würde sich die Linkspartei hingegen hinter Lafontaine versammeln, könnte sie eine Alternative zu dem deutschen Konsensgerede von »Mehr Europa« bieten.
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