Die Zukunft des Euro - eine notwendige Debatte
In der Linken tobt seit den Äußerungen von Oskar Lafontaine die Debatte über den Euro. Wir haben ein Gespräch mit Andres Wehr, Autor der Bücher “die Europäische Union” und „Griechenland, die Krise und der Euro”, über den Euro und die Alternativen zu diesem geführt.
Die Freiheitsliebe: Seit einigen Tagen tobt ein Streit innerhalb der Partei Die Linke über den weiteren Umgang mit dem €uro. Sahra Wagenknecht, die eine der Vizevorsitzenden in der Partei und Bundestagsfraktion ist, hatte u.a. davon gesprochen, dass die Länder in Südeuropa totgespart werden, die Arbeitslosigkeit explodiert und die Menschen gegen Europa aufgebracht werden. Oskar Lafontaine hatte einen Tag später nachgelegt, und den €uro für gescheitert erklärt. Daraufhin wurde beiden von Medien und anderen prominenten Parteimitgliedern vorgeworfen rechtspopulistische Positionen hoffähig zu machen. Wie sehen sie das?
A.W.: Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine haben eine längst fällige Debatte in der Partei angestoßen, die schon längst hätte geführt werden müssen. Dafür sollte man ihnen dankbar sein. Die Linke hat im Bundestag zwar als einzige Partei immer die sogenannten Rettungspakete für die Defizitländer abgelehnt, doch bei ihren Forderungen hat sie sich anschließend auf eine reine Appellpolitik beschränkt im Sinne "die Bundesregierung muss, soll ". Doch es gibt auf Seiten der Herrschenden keinerlei Bereitschaft, ihre Politik im Euroraum zu ändern. Nach drei Jahren Eurokrise sehen wir nicht die geringsten Anzeichen dafür, dass es die von Gewerkschaften und linken Parteien europaweit geforderte Harmonisierung der Wirtschafts-, Steuer- und Lohnpolitik jemals geben wird. Stattdessen sinken Länder wie Griechenland, Portugal, Spanien und nun auch Zypern immer tiefer ins Elend. Das Bruttoinlandsprodukt geht dort kontinuierlich zurück, die Wirtschaft schrumpft und die Arbeitslosenzahlen wachsen gleichzeitig auf horrende Größen. Es ist daher an der Zeit, die bisher in Deutschland tabuisierte Frage der Mitgliedschaft dieser Länder in der Eurozone zu stellen.
Die Freiheitsliebe: Aber was genau haben die beiden gefordert?
A.W.: Die zentrale Aussage von Oskar Lafontaine ist, dass die Politik der sogenannten "internen Abwertung", wonach verlangt wird, dass Löhne und Preise in den Defizitländern sinken müssen, um so deren Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen, gescheitert ist. Griechenland, Portugal, Zypern und wahrscheinlich auch Spanien werden ohne die klassische "äußere Abwertung" nicht mehr auf die Füße kommen, denn nur so kann der Schutz ihrer geschwächten Volkswirtschaften gesichert werden. Dazu benötigen sie nun aber einmal ihre Währungen zurück. Und dafür müssten sie die Eurozone verlassen.
Die Freiheitsliebe: Ja war es denn nicht richtig, angesichts des medialen Hypes, den die rechtskonservative „Alternative für Deutschland“ gerade erlebt, das Thema €uro wieder in den Mittelpunkt zu stellen?
A.W.: Die Linke darf sich bei ihrer Positionsfindung zum Euro nicht von den bürgerlichen Medien abhängig machen, deshalb sollte sie sich von medialen Hypes nach Möglichkeit fernhalten. Was die "Alternative für Deutschland" angeht, so geht die Politik der Linken in eine ganz andere Richtung als die der AfD. Diese Konservativen wollen wohl den Euro loswerden, den EU-Binnenmarkt aber unbedingt beibehalten. Dies aber heißt, dass die überlegene deutsche Industrie weiterhin freie Fahrt in ganz Europa hätte und damit die Unternehmen in den Peripherieländern aufgrund ihrer Marktmacht nach Belieben verdrängen könnte. Es darf aber nicht vergessen werden, dass etwa die Deindustrialisierung Griechenlands bereits 1981 mit dem Beitritt des Landes zur damaligen Europäischen Gemeinschaft begann. Die Linke hat daher die gesamte Konstruktion der EU in Frage zu stellen.
Die Freiheitsliebe: Ist es nicht eine falsche Analyse von Lafontaine, wenn er sagt, dass auch die hohen Löhne in Griechenland Schuld haben an der Krise? (Siehe hier: http://www.saarbruecker-zeitung.de/aufmacher/Oskar-Lafontaine-Berlin-Bundesregierung-Bundestag-Linke;art27856,4763578)
A.W.: Nach der Einführung des Euro kam es zu massiven Kapitalabflüssen aus den kerneuropäischen Ländern in die Peripherie. Es passierte das, was im Imperialismus in solchen Situationen immer passiert: Günstige Anlagemöglichkeiten suchendes Kapital ging als Bankenkapital in die geringer entwickelten Länder, da dort die Profitraten höher waren. Privatleute, Unternehmen und die Staaten verschuldeten sich enorm. Es kam zu inflationären Überhitzungen bei Preisen und Löhnen, in einigen Ländern - etwa in Irland und in Spanien - auch zu Immobilienblasen. Die Peripherieländer konnten sich das vorübergehend leisten, da sie als Teil der Eurozone über faktisch unbegrenzten Kredit verfügten. Griechenland, Portugal, Irland und anderen Ländern wurden Kredite zu Bedingungen gewährt, die ihnen mit ihren kleinen nationalen Währungen als Rückendeckung zu keiner Zeit gewährt worden wären, denn die Finanzmärkte konnten ja davon ausgehen, dass die ganze Eurozone für diese Kredite bürgt. Deshalb verlangen sie ja jetzt auch von den noch solventen kerneuropäischen Ländern, dass sie für diese Schulden mittels Rettungsschirmen haften. Das ist die Situation, die wir gegenwärtig haben.
Die Freiheitsliebe: Was denken Sie sollte die Partei Die Linke in der jetzigen Situation tun?
A.W.: Die Linke sollte vor allem um Verständnis für die Entscheidungen der Bevölkerungen in den unter einem ungeheuren Druck stehenden Defizitländern werben. Es liegt nämlich ganz allein in der Souveränität dieser Länder, wenn sie sich für einen Austritt aus der Eurozone oder sogar der EU entscheiden. Wir haben da keine Belehrungen zu erteilen, etwa weil sie uns damit unseren "europäischen Traum" kaputt machen.
Die Freiheitsliebe: Wie wird die Entwicklung weitergehen im Süden Europas. Ist mit einer Stabilisierung der Situation zu rechnen?
A.W.: Die Politik der "inneren Abwertung" ist gescheitert. Die Herrschenden in Berlin und Brüssel haben daher jetzt nur noch zwei Optionen: Entweder der gesamte Euroraum wird einem massiven deutschen Spardiktat unterworfen, koste es was es wolle, oder aber es kommt zu einer Transferunion, in der die reicheren Länder - und hier natürlich in erster Linie Deutschland - etwa mit Hilfe von Eurobonds die schwächeren stützen. Keine der beiden Wege ist aber gehbar. Der eine nicht aus außenpolitischen Gründen, der andere ist aufgrund der innenpolitischen Konstellation versperrt. Dafür sorgt schon der drohende Einzug der AfD in den Bundestag. Daher wird die Krise wahrscheinlich den Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion sprengen.
Die Freiheitsliebe: Wäre die Partei Die Linke also gut beraten sich an Ihre eigene Geschichte zu erinnern und eher den Slogan „€uro – so nicht“ wieder in den Vordergrund zu stellen?
A.W.: Dieser Slogan hat sich überlebt. Wir haben ja inzwischen Erfahrungen von über zehn Jahren mit dem Euro und es hat sich gezeigt, dass er in Krisenzeiten nicht funktioniert. In Griechenland, Portugal, Zypern und bald auch in anderen Staaten geht es daher nur noch um die Frage von Ja oder Nein zum Euro.
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