»Die EU braucht eine neue Vision«
Die Situation scheint paradox zu sein: Während einerseits offen über einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone und sogar über deren Zerfall spekuliert wird, werden gleichzeitig Vorschläge für eine Vertiefung der Integration präsentiert, wird immer lauter nach einer Ergänzung der Wirtschafts- und Währungsunion durch eine »politische Union« gerufen. Was ist davon zu halten? Wie realistisch ist überhaupt die Forderung nach »einem großen institutionellen Sprung nach vorn«, setzt doch die Krise gegenwärtig Zentrifugalkräfte frei, die die Euro-Zone und sogar die EU zu sprengen drohen?
Zunächst waren es nur einzelne Stimmen, die als entscheidende Ursache der Euro-Krise die fehlende finanz- und wirtschaftspolitische Koordination der Länder des gemeinsamen Währungsgebiets nannten und ein stärker abgestimmtes Vorgehen forderten. Verlangt wurden die Etablierung einer europäischen Wirtschaftsregierung und eine deutlich gestärkte Kommission, versehen mit einem Finanzkommissar, ausgestattet mit weitreichenden Kompetenzen zur Disziplinierung nationaler Regierungen. Der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, forderte bereits 2010 die Einrichtung eines »europäischen Finanzministeriums«.
Die Reformvorschläge beschränken sich allerdings nicht allein auf Fragen der Wirtschaftsverfassung. Von verschiedener Seite wurde etwa die Direktwahl eines europäischen Präsidenten ins Spiel gebracht. Zu den Unterstützern dieser Idee gehört Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Eine »Föderation der Nationalstaaten« schlägt Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen profilierte sich mit der Forderung nach einem europäischen Einheitsstaat: »Mein Ziel sind die Vereinigten Staaten von Europa – nach dem Muster der föderalen Staaten der Schweiz, Deutschland oder der USA.«
Projekt Weltmacht
Die hier beispielhaft genannten Forderungen nach Vertiefung und Weiterentwicklung der Union verfolgen verschiedene Ziele und haben unterschiedliche Adressaten. Zum einen sind sie an die breite Öffentlichkeit gerichtet und sollen der in der Krise unpopulär gewordenen Europaideologie zu neuem Glanz verhelfen, nachdem die Vorstellung von der EU, die den Frieden zwischen den Völkern garantiert, in letzter Zeit an Überzeugungskraft verloren hat – woran auch die absurde Verleihung des Friedensnobelpreises wohl kaum etwas ändern kann. Das sieht auch der Exchef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, so, der die schwächer werdende ideologische Bindung der breiten Bevölkerung an das für das Finanzkapital so wichtige Europaprojekt als Gefahr erkannt hat: »Die EU braucht eine neue Vision. Die alte als Friedensgemeinschaft ist für die junge Generation nicht mehr überzeugend.«
Als Ersatz für die brüchig gewordene Begründung wird die Losung einer europäischen Globalmacht ausgegeben, die es mit den neu aufkommenden Schwellenländern, und hier vor allem mit China, aufnehmen kann. Für diese Vision wirbt Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt: »Kein europäisches Land besitzt allein ausreichend Kraft und Potential, um im Wettbewerb mit den starken und aufsteigenden Weltregionen zu bestehen. Europa wird zwischen Amerika, China und Russland nur gemeinsam stattfinden, oder es wird im globalen Geschehen keine Rolle mehr spielen.« Ganz seiner Meinung ist der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel: «Nur Europa als Ganzes hat eine Chance im globalen Wettbewerb von Ideen und Werten, von Politik und Wirtschaft.«
Dieser Alarmismus eines angeblich im Wettbewerb zurückbleibenden Europas ist alles andere als neu. Schon Lenin schrieb darüber in seiner Schrift »Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus«.
1968 war es der französische Journalist, Verleger und Politiker Jean-Jacques Schreiber, der mit seinem Buch »Die amerikanische Herausforderung« verkündete, dass sich die USA im globalen Wettbewerb uneinholbar absetzen würden, sollte der europäische Einigungsprozess nicht beschleunigt werden. Als sich dies in den siebziger Jahren als Legende erwies, die USA vielmehr immer tiefer in den Morast des Vietnamkriegs gerieten und der Dollar dramatisch an Wert verlor, wurde kurzerhand Japan zur neuen Gefahr erklärt. Dementsprechend sagte Schreiber in seinem 1980 veröffentlichten Buch »Die totale Herausforderung« das Zurückbleiben Europas gegenüber Japan voraus. Inzwischen ist auch vom globalen Aufstieg dieses Landes nach tiefer Immobilienkrise mit anschließend langer Stagnation nichts mehr übriggeblieben. Heute sind es nun China und manchmal sogar Indien, die als neue Gefahr an die Wand gemalt werden.
Die Drohungen vor einem Abstieg Europas häufen sich regelmäßig in Krisenmomenten der Union und sollen neue Kräfte für das Integrationsprojekt mobilisieren. In den siebziger und achtziger Jahren war es Frankreich, das in den Büchern Schreibers aufgefordert wurde, Europa zur Festigung seiner angeschlagenen weltpolitischen Bedeutung zu nutzen. Heute sind es die deutschen Konzerne, die verlangen, alle verfügbaren Ressourcen der EU einzusetzen, damit sie den weltweiten Kampf um Märkte und Einflusszonen gewinnen können.
Neben diesen Bemühungen, der EU eine neue ideologische Grundlage zu geben, wird die Euro-Krise heute als Gelegenheit genutzt, um Forderungen ins Spiel zu bringen, die bisher keine Chance auf Realisierung hatten. Dies gilt etwa für den Bericht der aus elf Außenministern von EU-Ländern bestehenden »Gruppe zur Zukunft Europas«, die unter Federführung des deutschen Auswärtigen Amtes am 17. September 2012 Vorschläge zur Reform der Union vorlegten.
Darin findet sich eine Reihe von Vorschlägen, die von deutscher Seite bereits in der Vergangenheit vorgebracht wurden, die aber, so bei den Beratungen im Europäischen Konvent über den Verfassungsvertrag, keine Mehrheit gefunden hatten. Dies betrifft die Forderung nach Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, aber auch nach einer Straffung der Arbeit der Europäischen Kommission, die mit gegenwärtig 27 Mitgliedern – jedes Mitgliedsland stellt einen Kommissar – überbesetzt ist. Im Bericht der elf Außenminister ist in diesem Zusammenhang von der Schaffung zweier Klassen von Kommissaren, von »Senior«- und »Junior«-Kommissaren die Rede. Neu ist die Überlegung, den Kommissionspräsidenten direkt wählen zu lassen und ihm sogar das Recht zu geben, die Mitglieder »seiner europäischen Regierung« selbst zu bestimmen. Die Gruppe geht davon aus, dass solche Reformen »langfristig nur durch Vertragsänderungen auf Basis eines Konvents in Angriff genommen werden können«. Ein solcher Prozess kann sich aber über Jahre hinziehen. Allein die Ausarbeitung und Durchsetzung der letzten Vertragsveränderung, die zum Lissabonner Vertrag führte, hat nicht weniger als zehn Jahre gedauert.
An der Arbeit der »Gruppe zur Zukunft Europas« hat sich nicht einmal die Hälfte der EU-Staaten beteiligt. So fehlte etwa der britische Vertreter. Wäre er dabei gewesen, hätte er gewiss Änderungen vorgeschlagen. Die hätten allerdings darauf gezielt, gemäß der Absicht der konservativen britischen Regierung EU-Kompetenzen auf die einzelstaatliche Ebene zurück zu übertragen. Doch selbst die elf beteiligten Außenminister stehen nicht hinter allen Forderungen ihrer Gruppe. In der Einleitung heißt es: »Der Bericht spiegelt unsere persönlichen Gedanken wider. Wir betonen, daß nicht alle teilnehmenden Minister mit allen Vorschlägen einig sind, und dass die individuellen vertraglichen Verpflichtungen und Rechte der Mitgliedstaaten der einzelnen Politikbereiche berücksichtigt werden müssen.« Die Vorschläge dieser Gruppe dürften daher im Prozess des Umbaus der EU keine große Rolle spielen.
»Großer Integrationssprung«
Eine ganz andere Bedeutung werden hingegen die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe haben, die im Juni 2012 vom Europäischen Rat eingesetzt wurde. Sie besteht aus dem Präsidenten des Rats, Herman Van Rompuy, dem Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso, dem EZB-Präsidenten Mario Draghi und dem Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Der ihr vom Europäischen Rat erteilte Auftrag lautet, konzeptionelle Vorarbeiten zu einer »echten Wirtschafts- und Währungsunion« zu leisten. Danach soll diese Union aus vier Elementen bestehen: »Einem integrierten Finanzrahmen, einem integrierten Haushaltsrahmen, einem integrierten wirtschaftspolitischen Rahmen sowie aus mehr demokratischer Legitimität und verstärkter Rechenschaftspflicht.« Der Abschlußbericht der Gruppe soll Ende Dezember 2012 vorliegen.
Bereits der im Juni veröffentlichte erste Zwischenbericht wie auch die Vorbereitungspapiere für den zweiten Bericht, der auf dem Ratsgipfel am 18./19. Oktober 2012 vorgestellt wird, zeigen, dass es hier um grundlegende Veränderungen, um einen »großen Integrationssprung« der EU gehen soll. Unter der Überschrift »Single Supervisory Mechanism (SSM)« (Einheitlicher Aufsichtsmechanismus) soll neben einer Bankenunion auch eine Fiskalunion für die Euro-Länder entstehen. Sie soll die Kontrolle und Genehmigung der nationalen Haushalte übernehmen und eine gewisse Vergemeinschaftung der Staatsschulden möglich machen. Auch soll die Euro-Zone einen eigenen Haushalt erhalten. In der Fiskalunion sollen all die bisher in Reaktion auf die Krise in hektischer Eile erlassenen Maßnahmen und Verträge in einem einheitlichen Regelungsrahmen integriert werden. Dies betrifft den Euro-Plus-Pakt, das »Europäische Semester«, das eine enge Koordination der nationalen Wirtschaftspolitiken zum Ziel hat, den erst kürzlich verabschiedeten Fiskalpakt und den durch das »Six-Pack« verschärften Stabilitäts- und Wachstumspakt.
Zwar verfasst die Kommission bereits jetzt weitreichende Empfehlungen für die Mitgliedstaaten, etwa zum Umbau ihrer Arbeitsmarktpolitik oder ihrer Sozialsysteme, nur fehlen ihr bisher die adäquaten Mittel zu deren Durchsetzung. Die europäischen Verträge sehen nämlich solche Eingriffe in die Kernbereiche der Souveränitätsrechte der Mitgliedstaaten nicht vor. Eine Änderung der Verträge wäre aber zeitraubend und der Erfolg zudem ungewiss, da alle 27 Mitgliedsländer zuzustimmen haben. Zudem müssten sie – so ist es seit dem Lissabonner Vertrag vorgeschrieben – zuvor in einem Konvent beraten werden. Der würde aber vor allem aus Vertretern der nationalen Parlamente und aus Europaabgeordneten bestehen. Von ihnen wollen aber die Regierungen nicht abhängig sein.
Im Vorbericht zum Ratsgipfel am 18./19. Oktober 2012 wird beschrieben, wie man diese Klippen umgehen will. Zum einen wird das Vorhaben auf die Mitglieder des gemeinsamen Währungsgebiets beschränkt. Potentielle Störenfriede, wie die Nicht-Euro-Länder Großbritannien und die Tschechische Republik, die dem Fiskalpakt ihre Zustimmung verweigert hatten, bleiben damit außen vor. Zum anderen vermeidet man den Weg über eine Vertragsänderung, indem die einzelnen Euro-Länder jedes für sich mit der Europäischen Kommission Verträge abschließen, in denen sie sich zur Durchführung einer Politik, die »auf europäischer Ebene« formuliert wird, verpflichten. Damit werden künftig alle Euro-Länder von Brüssel so behandelt werden, wie bisher nur die drei Krisenstaaten Griechenland, Irland und Portugal. Diese mussten detaillierte Memoranden unterschreiben, in denen sie sich zur Befolgung einer rigiden Kürzungspolitik verpflichteten.
Das droht nun in Zukunft allen Euro-Ländern. Sie würden große Teile ihrer haushaltspolitischen Souveränität an Brüssel abgeben: »Ein Kernstück ist die Haushaltspolitik. Die Regierungen der Euro-Staaten sollen ihre Haushaltsentwürfe künftig vorab in Brüssel zur Genehmigung vorlegen. Die EU-Kommission könnte dann ihr Veto einlegen, falls ein überhöhtes Defizit droht. Das gilt auch, wenn in dem Budgetentwurf keine Sparmaßnahmen zum Abbau einer überhöhten Staatsverschuldung vorgesehen sind. In beiden Fällen wäre die jeweilige Regierung zu Korrekturen gezwungen, bevor sie den Etatentwurf zu Hause in die parlamentarischen Beratungen gibt.«
Ein solches Vorgehen entspricht vor allem der Sicht der deutschen Bundesregierung auf die Euro-Krise, sieht sie doch deren eigentliche Ursache in der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der Krisenstaaten. Über Jahre hätten sie »über ihre Verhältnisse gelebt« und »ihre Hausaufgaben nicht gemacht«. Durch verweigerte Strukturreformen, vor allem im Sozialbereich und in der Arbeitsmarktpolitik, durch unzureichende Deregulierungen und versäumte Privatisierungen seien sie daher für ihre Probleme selbst verantwortlich. Aus diesem Grund versucht Berlin schon jetzt mit Hilfe der Schuldenbremse als Kern des Fiskalpakts, allen übrigen Euro-Ländern die Agenda 2010 der Regierung Schröder aufzuzwingen.
Nach deutschem Vorbild
Die wirkliche Ursache der Euro-Krise verschwindet hinter dieser schlichten Denkweise ebenso wie die einzig richtige Therapie: Und dies ist ein radikaler Schuldenschnitt! Den aber lehnen die kerneuropäischen Länder ab, da vor allem die dort beheimateten Banken, Versicherungen und Pensionsfonds davon betroffen wären.
Indem künftig alle Euro-Länder dem Regime der Austeritätspolitik nach deutschem Vorbild unterworfen werden sollen, will der deutsche Imperialismus seine gegenwärtige Stärke und die gleichzeitige Schwäche seiner wichtigsten europäischen Konkurrenten nutzen, um vollendete Tatsachen zu schaffen. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (5.9.2012) wird dieses Vorgehen wie folgt beschrieben: »Das Problem der deutschen Europapolitik besteht nämlich im Grunde darin, die – im Vergleich zu den Partnern – ungleich stärkere wirtschaftliche Leistungskraft Deutschlands politisch Europa-kompatibel zu machen. Mit anderen Worten: Deutschland soll ein nachahmenswertes Modell und Vorbild sein, ohne dass die deutsche Politik als Schulmeister Europas auftritt, der die anderen EU-Länder schurigeln oder gar kujonieren will.«
Noch ist aber ungewiss, ob sich dies durchsetzen lässt. Die Bourgeoisien der Krisenstaaten haben sich zwar dem Diktat Berlins vollkommen unterworfen; Störungen sind nur dann zu erwarten, wenn sich in Klassenkämpfen dort Kräfte durchsetzen, die Sozialabbau und Privatisierungen stoppen können – wie jüngst in Portugal geschehen. Spanien und Italien sind als potentielle Krisenländer auf das Wohlwollen Berlins angewiesen. Großbritannien ist nicht Mitglied der Euro-Zone und von den Maßnahmen nicht betroffen. Bleibt der Unsicherheitsfaktor Frankreich. Der künftige Kurs des Landes zeichnet sich gegenwärtig noch nicht klar ab, das zeigen die aktuellen Auseinandersetzungen um den Fiskalpakt. Der Linksfront ist es gelungen, die Straße gegen ihn zu mobilisieren. Die Fraktionen des Regierungslagers agieren nicht geschlossen. Noch ist in Frankreich die Erinnerung an den 2005 abgelehnten Verfassungsvertrag wach. Vor diesem Hintergrund ist ungewiss, ob die Forderungen der vom Europäischen Rat eingesetzten Arbeitsgruppe nach weitreichenden Übertragungen von Kompetenzrechten in Haushaltsfragen am Ende auch von Paris akzeptiert werden.
Gewagte Konstruktion
Wenn die Parlamente der Euro-Länder Kernbestandteile ihres Haushaltsrechts verlieren, werden die Umbaupläne zu einer umfassenden Entdemokratisierung führen. In Deutschland stößt dies kaum auf Widerstand. Im Gegenteil, für SPD-Chef Sigmar Gabriel steht fest: »Eine vertiefte europäische Union ist ohne den Verzicht auf Teile der nationalen Souveränität nicht zu haben.« Von SPD und Grünen wird als Ausgleich für die Machtübertragung regelmäßig die Stärkung des Europäischen Parlaments (EP) angeregt.
Dieses Parlament ist aber in der Euro-Krise längst zum großen Verlierer geworden, und es sieht gar nicht danach aus, dass sich dies ändern wird. So wurde es weder bei den Entscheidungen über den »Euro-Plus-Pakt« noch bei denen über die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) befragt. Die beiden Finanzinstitutionen zur Finanzierung der Krisenstaaten wurden vielmehr als zwischenstaatliche Vertragsorganisationen außerhalb der EU und damit außerhalb jeden Einflusses des EP angesiedelt. Auch der Fiskalpakt hat eine eigene vertragliche Grundlage, das Europäische Parlament konnte ihn lediglich zur Kenntnis nehmen. Bei der Ausarbeitung der Pläne zum geplanten Umbau der EU hielt man es nun nicht einmal für nötig, den Präsidenten des Europäischen Parlaments hinzuzubitten. Schlimmer noch: Die jetzt bekannt gewordenen Pläne der vom Rat beauftragten Vier sehen sogar eine Aufspaltung des Parlaments vor: Neben das EP soll künftig ein eigenes Euro-Parlament treten, dem sowohl Europaabgeordnete als auch nationale Parlamentarier angehören sollen.
Sollten die dargestellten Pläne Wirklichkeit werden, so würde die bereits bestehende faktische Spaltung zwischen dem Euro-Währungsgebiet und der restlichen EU vertieft werden. Mit der separaten Entwicklung der Euro-Länder kann es aber nicht zur Entstehung eines Kerneuropas kommen, das sich schneller als der Rest integriert, wie es Anfang der neunziger Jahre die CDU-Politiker Karl Lamers und Wolfgang Schäuble vorgeschlagen hatten. Das gegenwärtige Euro-Währungsgebiet umfasst vielmehr Volkswirtschaften auf sehr unterschiedlichem Niveau. Hochproduktiven Ländern im Kern stehen mit Estland, Griechenland, Malta, Portugal, der Slowakei, Slowenien und Zypern sehr viel geringer entwickelte in der Peripherie gegenüber. Wichtige wirtschaftlich starke kerneuropäische Unionsländer wie Dänemark, Großbritannien und Schweden fehlen hingegen. An dieser Struktur wird sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern. Angesichts der Krise sind alle geplanten Beitritte zur Euro-Zone erst einmal verschoben worden.
In den Vorschlägen der vom Rat eingesetzten Arbeitsgruppe scheut man vor der Entscheidung zurück, dem Euro-Währungsgebiet eine eigene vertragliche Grundlage zu geben. Die damit vollzogene institutionelle Aufspaltung der Europäischen Union hätte nämlich unabsehbare Konsequenzen. Der statt dessen vorgeschlagene Weg, die Euro-Mitgliedsländer jeweils separat Verträge mit der Europäischen Kommission über die Einhaltung der Verpflichtungen zur Stabilität der Euro-Zone abschließen zu lassen, bedeutet aber nichts anderes, als das Schicksal des Euros künftig an die Erfüllung von 17 Einzelverträgen zu binden. Eine solche Konstruktion ist mehr als gewagt, sie trägt bereits das Element der Auflösung des Euro-Währungsgebiets in sich.
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